Wann müssen Überstunden in der Arztpraxis bezahlt werden?

In vielen Arztpraxen fallen regelmäßig Überstunden an, ob bei Arzt und Ärztin oder MFA. Muss Angestellten die Mehrarbeit eigentlich immer extra bezahlt werden? Das sind die Antworten.

 

Fachkräftemangel, zu viele Patienten, zunehmende Bürokratie: Schnell können sich nicht nur bei Praxisinhaberinnen und -inhabern die Überstunden läppern, sondern auch bei Ihren MFA und anderen Angestellten. Dabei müssen Sie als Chefin oder Chef diese Überstunden nicht in jedem Fall bezahlen. Es kommt auf den Vertrag, klare Absprachen und Gehälter an.

Die folgende Übersicht zeigt, wann zusätzliches Gehalt fällig ist und wann zumindest eine gewisse Anzahl von Überstunden mit dem regulären Gehalt abgegolten sind.

 

In diesen Fällen müssen Überstunden bezahlt werden

Es gibt vertragliche und nicht-vertraglich geregelte Konstellationen, in denen Sie als Arbeitgeber Überstunden bezahlen müssen:
 

Vertragliche Regelungen

Wenn im Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung festgelegt ist, dass Überstunden zu leisten und zu vergüten sind, müssen Sie als Chefin oder Chef diese Überstunden natürlich bezahlen. Ist eine Vergütung im Vertrag vorgesehen, hat der oder die Mitarbeitende einen klaren Anspruch darauf.

Der Tarifvertrag MFA enthält ebenfalls eine Regelung zur Vergütung von Überstunden und Arbeit an Wochenend- und Feiertagen.
 

Stillschweigende Zustimmung

Überstunden müssen Sie auch dann bezahlen, wenn Sie sie bei Ihren Angestellten stillschweigend dulden oder billigen. Sehen Sie also, dass Ihre Mitarbeitenden regelmäßig länger arbeiten und Sie nehmen dies ohne Widerspruch hin, können die Mitarbeitenden davon ausgehen, dafür zusätzliches Gehalt zu bekommen.

Wichtig zur Erfassung von Überstunden ist die EU-weit geltende gesetzliche Pflicht zur Arbeitszeiterfassung. Eine Vorlage zu Arbeitszeiterfassung können Virchowbund-Mitglieder in unserem Mitgliederbereich herunterladen.
 

Zwangsläufig notwendige Überstunden

In Notfällen, wie zum Beispiel bei einem unerwarteten hohen Patientenaufkommen, können Überstunden manchmal notwendig sein, um den Praxisbetrieb aufrechtzuerhalten. Auch wenn diese nicht ausdrücklich im Vertrag geregelt sind, besteht hier in der Regel ein Anspruch auf Vergütung. Die geleisteten Überstunden müssen auch jeweils auf der Gehaltsabrechnung aufgelistet sein.

Tipp

Werden Überstunden nötig, können Sie diese auch anordnen. Dies sollten Sie explizit und mit einiger Vorlaufzeit tun, damit sich Ihre Angestellten ggf. von anderen Pflichten befreien und entsprechend darauf einstellen können. 

Grundsätzliches Arbeitsrecht

Nach § 612 Abs. 1 BGB gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Dies trifft auf Überstunden in der Regel zu, insbesondere bei niedriger bezahlten Arbeitskräften wie MFA.

Lesen Sie hier mehr über die Grundlagen des Arbeitsrechts.
 

Fehlender Freizeitausgleich

Grundsätzlich sind Überstunden durch Freizeit ausgleichbar. Passiert dies aber nicht innerhalb eines vereinbarten Zeitraums, müssen Sie den Angestellten die Überstunden ebenfalls vergüten. Einige Tarifverträge, wie der für MFA, sehen vor, dass Überstunden erst dann als Mehrarbeit gelten, wenn es innerhalb von zwölf Wochen keinen Freizeitausgleich geben kann.
 

Sie möchten Arbeit gern reduzieren oder umverteilen? Erfahren Sie, ob und wie zum Beispiel die Delegation von Aufgaben oder die Online-Terminbuchung für Patienten Ihnen dabei helfen kann.

 

In diesen Fällen müssen Überstunden nicht bezahlt werden

Fälle, in denen Sie Überstunden nicht extra vergüten müssen, umfassen vor allem Angestellte mit relativ hohem Gehalt und Mehrarbeit, der Sie nicht zugestimmt haben:

 

Pauschale Abgeltung im Vertrag

Ist im Arbeitsvertrag eine Pauschalabgeltung vorgesehen? Dann gibt es für Überstunden keine Extravergütung. Allerdings muss diese Klausel klar und verständlich sein, und die Anzahl der abgegoltenen Überstunden muss im Vertrag konkret festgehalten sein. Eine allgemeine Formulierung wie „Erforderliche Überstunden sind mit dem Monatsgehalt abgegolten“ ist unwirksam.
 

Überstunden ohne Zustimmung des Arbeitgebers

Überstunden, die ohne Ihr Wissen und Ihre Zustimmung als Praxisinhaber oder -inhaberin geleistet werden, müssen Sie auch nicht vergüten. Hier liegt die Beweispflicht bei dem oder der Angestellten, der oder die nachweisen muss, dass die Überstunden notwendig waren und von Ihnen geduldet wurden.

Um spätere Unklarheiten zu vermeiden, lohnt es sich, Überstunden schon bei Ausgestaltung des Arbeitsvertrags klar zu regeln. Im Rahmen einer persönlichen Rechtsberatung überprüfe ich Ihren individuellen Arbeitsvertrag gerne.

Andrea Schannath
Rechtsberatung

 

Gerade wenn Sie planen, jemanden neu einzustellen, können Sie zur Ausgestaltung des Arbeitsvertrages als Mitglied im Virchowbund unsere Musterarbeitsverträge nutzen. Für bestehende Arbeitsverhältnisse helfen unsere Änderungsverträge weiter.

Informationen finden Sie auch unter Arbeitsvertrag MFA und der Praxisinfo „Arbeitsverträge für MFA richtig aufsetzen“.

 

Ob Praxisinhaberin, angestellter Arzt oder MFA: Wichtig ist, klare und rechtssichere Vereinbarungen im Arbeitsvertrag festzuhalten und sich der eigenen Rechte und Pflichten bewusst zu sein. Regelmäßig geleistete Überstunden sollten dokumentiert werden.

Auch eine transparente Kommunikation zwischen Ihnen als Praxischef und Ihren Arbeitnehmenden im akuten Fall vermeidet Missverständnisse und rechtliche Konflikte.

 

Sie möchten Überstunden vermeiden oder reduzieren? Unter Praxisorganisation finden Sie mögliche Ansatzpunkte dafür. Zudem können Sie als Mitglied im Virchowbund auch unsere persönliche Praxisberatung in Anspruch nehmen. Unsere Praxisinfos geben raschen Überblick über Rechtsthemen, unsere Musterverträge schützen Sie vor Fehlern durch nicht arzt-spezifische Vorlagen.

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