Sachkosten, dank denen Ärzte das Hinschmeißen erwägen
Praxisberatung für Ärztinnen und Ärzte ist eine ernste Sache, immer abwechslungsreich – oft aber auch blanker Wahnsinn. So wie in diesem Fall aus unserer Praxisberatung:
Unglaublich, aber wahr: Bei ambulanten Operationen gehen die operierenden Ärztinnen und Ärzte oft mit einem Minus statt einem monetären Verdienst nach Hause. Wie kann das sein?
Wenn die OP für den Arzt zum Zuschussgeschäft wird
Folgender Fall erreichte mich kürzlich: Ein Arzt, der auch operiert, nutzt die Räume, Technik und Ausstattung eines Operationszentrums. Hierfür entrichtet er als Operateur, der seine Leistungen ja bei der KV abrechnet, einen vertraglich vereinbarten Prozentsatz der Leistungsvergütung an das OP-Zentrum. Das OP-Zentrum stellt zusätzlich Sachkosten in Rechnung, ebenfalls vertraglich vereinbart.
Auf der Rechnung stehen Materialien, die – gemäß allgemeinen Bestimmungen des EBM – weder mit der EBM-Leistung abgegolten noch zusätzlich abrechnungsfähig sind, sondern schlichtweg als Sprechstundenbedarf gelten. Zum Beispiel Hautdesinfektionsmittel oder Nahtmaterial. Beides teuer!
Die Methode ist also: Das OP-Zentrum kauft die Materialien für sein Kunden (Vertragsärzte) ein und lässt sich die Kosten fallbezogen von Ärztin und Arzt erstatten. Die einzig Begünstigten sind die Krankenkassen, denn ihnen bleiben diese Kosten erspart.
Der Wahnsinn dabei: Der Operateur zahlt für seine Arbeit drauf! So sehr, dass er darüber nachgedacht hat, die Patienten um Beteiligung an den Kosten zu bitten. Das ist aber nicht erlaubt.
Doch es geht weiter:
Auf der Rechnung stehen auch Materialien, die als Praxisbedarf gelten. Was heißt, der Vertragsarzt muss sie vorhalten und bezahlen (mehr zu diesem Unterschied zwischen den Materialien hier). Ein Beispiel sind Einmalskalpelle. Ohne Skalpell keine Operation, deshalb sind die Kosten in die entsprechende EBM-Nummer eingepreist.
Wir erinnern uns: Einen Prozentsatz der Leistungsvergütung (EBM-Nummern) hat das OP-Zentrum schon bekommen. Aber das OP-Zentrum macht sich den komplizierten, fehleranfälligen und arbeitsaufwändigen Weg der korrekten Abrechnung leicht – auf Kosten des Kollegen.
Viele Ärztinnen und Ärzte fragen sich, ob sich das ambulante Operieren überhaupt „rechnet“. Unter diesen – nicht ungewöhnlichen – Bedingungen eine vollkommen berechtigte Frage.
Und jetzt?
Was tun als ambulant operierender Arzt?
Wenigstens sollten Sie wissen, wie Sie das Problem grundsätzlich angehen können. In meiner Praxisberatung gebe ich Betroffenen diese Tipps:
- Sorgen Sie für Transparenz und Aufklärung.
- Streben Sie einen Interessenausgleich an, der das absolut notwendige Vertrauensverhältnis zwischen Operateur und OP-Zentrum nicht belastet.
Sie haben ebenfalls Praxiswahnsinn erlebt?
Erzählen Sie uns davon – in den Kommentaren oder per E-Mail.
Die hier dargestellten Fälle sind aus der persönlichen Praxisberatung des Virchowbundes, gesammelt und aufgeschrieben von Margaret Plückhahn, unserer Praxis- und Niederlassungsberaterin.
„In meiner täglichen Beratungspraxis begegnen mir zuweilen Fälle, die auch mich nach über 30 Jahren Tätigkeit im Gesundheitswesen nur den Kopf schütteln lassen. Fälle, die die teils tragische Absurdität unseres Gesundheitssystems offenlegen. Fälle, die zum verzweifelten Seufzen, Weinen oder Lachen bringen – und die es verdient haben, dass sie öffentlich gemacht werden.“
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