Leistungen für chronisch Kranke: So rechnen Sie sie ab

In Hausarzt- und vielen Facharztpraxen ist die Behandlung chronisch kranker Patienten Alltag. Doch nicht immer erhalten Sie als Praxisärztin oder -arzt das gesamte Honorar, das Ihnen für Ihre Leistungen zusteht. Unsere Praxisberaterin zeigt auf, wo bei der komplizierten Abrechnung Fehler passieren können.

 

In Deutschland leiden Millionen von Menschen an chronischen Krankheiten. In vielen Praxen macht die Behandlung chronisch kranker Menschen einen Großteil der Arbeit und damit der Einnahmen aus. Für fast jede Arztpraxis ist die eine oder andere Abrechnungsregel relevant.

Doch nicht alle Regularien sind leicht zu verstehen. Unsere Tipps helfen, dass Ihre Arbeit mit und am Patienten vollständig entlohnt wird und das verdiente Geld in Ihrer Praxis bleibt.

 

Das bedeutet „chronische Krankheit“

Das RKI definitiert chronische Krankheiten als „lang andauernde Krankheiten, die nicht vollständig geheilt werden können und eine andauernde oder wiederkehrend erhöhte Inanspruchnahme von Leistungen des Gesundheitssystems nach sich ziehen“.

Die häufigsten chronischen Krankheiten sind unter den Herz-Kreislauf-, Krebs-, Lungen, Muskel-Skelett-System-Erkrankungen, den psychischen Störungen und den Stoffwechselstörungen.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat eine Richtlinie verfasst, wer als schwerwiegend chronisch krank einzustufen ist. Allerdings kann es schon allein aufgrund der dort bestimmten Definitonen kompliziert sein richtig abzurechnen.

Entsprechend gibt es in der Gesundheitsversorgung Disease-Management-Programme (DMP), Chroniker-Regeln, eigene Abrechnungsziffern im EBM und indikationsspezifische Selektivverträge und Sonderverträge. Auch die Hausarztzentrierte Versorgung (HzV) berücksichtigt chronisch Erkrankte.

Hinzu kommen weitere Vorgaben, Definitionen – und damit Fallstricke. Am Beispiel der Chronikerpauschale, die für Hausärztinnen und Hausärzte gilt, wird die Komplexität deutlich.

 

Die Chronikerpauschale

Die Gebührenordnungspositionen (GOP) 03220 und 03221 bzw. 04220 und 04221 EBM sind – gemäß den Präambeln zu den jeweiligen Abschnitten im EBM – nur berechnungsfähig, wenn beim Patienten mindestens eine lang andauernde, lebensverändernde Erkrankung vorliegt.

Nachgewiesen werden muss dies durch die entsprechende Diagnoseangabe nach ICD.
 

Fallstrick 1: Immer dieselbe Diagnose

Die Diagnose muss immer gleich, also konsistent kodiert werden. Das kann beim Arztwechsel schwierig werden, denn der neue Arzt kennt die genaue Kodierung der Vorgängerin oder des Vorgängers nicht.

Tipp

Kommt es wegen inkonsistenter Kodierung zu Absetzungen, sollten Sie zunächst Widerspruch einlegen. Im Verfahren können Sie die Vergütung eventuell „retten“. 

Grundsätzlich ist es ausgeschlossen, Diagnosen „nachzureichen“. Aber hier geht es um den Nachweis ein und derselben Krankheit (also darum, dass die zuvor kodierte Krankheit dieselbe ist und nur anders verschlüsselt war).

Bei der Chronikerpauschale gehen regelmäßig sehr hohe Vergütungsbeträge unwiederbringlich verloren. Die meisten KV-Bezirke versehen ihre Honorarbescheide gleich noch mit „Absetzungslisten“ oder es folgen später Honorarrückforderungen. Häufig haben Sie hierbei keine große Chance, eigene Fehler bei der Abrechnung zu korrigieren.

Wie Sie generell Honorarrückforderungen und Regresse vermeiden und was bei Plausibilitätsprüfungen auf Sie zukommt, lesen Sie auf den hier verlinkten Seiten.

 

Die sogenannte 4-3-2-1-Regelung

Für die Vergütung der Leistungen für chronisch Kranke ist eine kontinuierliche ärztliche Behandlung und die Betreuung im aktuellen Quartal sowie in den drei vorherigen Quartalen notwendig.

In mindestens zwei der vier Quartale ist ein persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt vorgeschrieben. Dabei darf ein persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt im Rahmen einer Videosprechstunde gemäß Anlage 31b zum BMV-Ä stattfinden.

Im verbleibenden „dritten“ Quartal muss mindestens ein anderer mittelbarer Arzt-Patient-Kontakt stattfinden. Ein Wiederholungsrezept (Abrechnung der Verwaltungsgebühr, GOP 01430 EBM) oder ein berechnungsfähiger Kontakt mit einer Bezugsperson genügen.

Hier gibt es mehrere Schwierigkeiten.
 

Fallstrick 2: Missverständnisse beim Unterscheiden der Kontaktarten

Unterscheiden Sie nicht genau zwischen „persönlichen“ und „mittelbaren“ Kontakten, besteht die Gefahr, dass Sie Anforderungen versehentlich nicht vollständig erfüllen, wodurch Ihnen ein Teil des Honorars entgehen kann.
 

Fallstrick 3: Präzision bei der Dokumentation des „mittelbaren“ Kontaktes

Speziell der Kontakt im dritten (geforderten) Quartal (zum Beispiel ein Wiederholungsrezept) muss präzise zugeordnet, dokumentiert und abgerechnet sein. Das bedeutet einen Extra-Verwaltungsaufwand.
 

Fallstrick 4: Lückenhafte Bindung von Patientinnen und Patienten

Für die kontinuierliche Behandlung müssen auch die Patientinnen und Patienten mitspielen. Erscheinen sie unregelmäßig oder wechseln die Praxis, kann es schwierig für Sie sein, die nötige Kontinuität sicherzustellen. Das wiederum kann sich auf die Abrechnung auswirken, auch wenn Sie die Versorgung korrekt erbracht haben.
 

Fallstrick 5: Kompletter Verdienstausfall bei nur einem „Fehler“

Sind die Anforderungen in nur einem der Quartale nicht komplett erfüllt, kann das bedeuten, dass die gesamte Regelung nicht erfüllt ist. Das gefährdet Ihre Vergütung über mehrere Quartale hinweg, auch wenn Ihre Betreuung über den Zeitraum qualitativ hochwertig war.
 

Die Chronikerpauschale ist mit 130 Punkten (15,51 Euro beim OPW 2024) bewertet, und ihre Regularien sind komplex. Implementieren Sie daher in der Praxis am besten ein Abrechnungscontrolling, zumal die Abrechnungssoftware Fehler hier nicht unbedingt erkennt.

Margaret Plückhahn
Praxisberatung


Disease-Management-Programme

Disease-Management-Programme (DMP) sind strukturierte Behandlungsprogramme für chronisch kranke Menschen, die auf evidenzbasierter Medizin und aktuellen Leitlinien basieren. Der G-BA legt die DMP-geeigneten Krankheiten und Anforderungen fest und evaluiert sie.

Das Ziel der Programme ist es, Komplikationen und Folgeschäden durch koordinierte, einrichtungsübergreifende Versorgung zu vermeiden. Ende 2021 waren immerhin 7,8 Millionen Versicherte in eines der 8.953 zugelassenen Programme eingeschrieben.

Träger der Programme sind die gesetzlichen Krankenkassen, die wiederum regionale Verträge mit Vertragsärztinnen und Vertragsärzten und Kliniken schließen. Die DMP betreffen sowohl Fach- als auch Hausärztinnen und -ärzte und können aufwändig sein, zumal sie die Zusammenarbeit verschiedener Seiten erfordern.
 

Fallstrick 6: Bürokratischer Aufwand

Die DMP sind bürokratisch teilweise schwierig und erfordern sorgfältige Dokumentation Ihrerseits. Andernfalls kann Ihnen hier Honorar verloren gehen, das Ihnen für Ihre Leistungen zusteht.

Tipp

Auch hier sind Sie mit einem Abrechnungscontrolling gut beraten, und es lohnt sich angesichts der Vergütung.

Controlling bei DMP heißt unter anderem: Abstimmung mit der jeweiligen Datenstelle, Kontrolle der Feedbacklisten und weitere Maßnahmen, wie ein Remindersystem, Wiedereinschreibungen und weitere Maßnahmen.

Patienten von anderen Praxen übernehmen

Besonders wichtig bei der Behandlung chronisch Kranker ist eine detaillierte Dokumentation und Kontrolle – gerade wenn Sie öfter Patienten übernehmen, die zuvor einen anderen Hausarzt hatten. Da zunehmend Praxen schließen, geschieht dies immer häufiger.

Auch wenn Sie eine Praxis übernehmen, gilt es, die Regeln der Abrechnung zu kennen und richtig anzuwenden. Je nach KV-Bezirk gibt es verschiedene „Suffixe“ zu den GOP (zum Beispiel „H“ für den Hausarztwechsel).

Sie haben weitere Fragen rund ums Geld? Unsere Seite Abrechnung & Finanzen bietet einen Überblick über unsere Informationen für Ihre Praxis. Erfahren Sie u. a. wie Sie Ihren Umsatz steigern können und laden Sie unsere Praxisinfos herunter, zum Beispiel zu den Themen:

Allgemeine Information dazu, wie sich Ihr Honorar zusammensetzt, finden Sie unter Abrechnung erklärt. Im Praxisärzte-Blog bieten wir auch laufend Tipps zur Abrechnung von GOP und bestimmten GOÄ-Ziffern.

Sie haben konkrete Fragen zur Abrechnung oder anderen Aspekten der Praxisorganisation? Dann steht Ihnen unsere Praxisberatung zur Verfügung. Außerdem bieten wir eine Reihe praktischer Online-Seminare zu diesen Themen sowie rechtlich geprüfte Praxisinfos und Musterverträge zum Herunterladen.

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