Krankenhausreform: Gefahr für die ärztliche Weiterbildung?
Die Krankenhausreform betrifft nicht nur die Kliniken. Die Zahl der Krankenhäuser und Betten und der neue Fokus auf ambulante Leistungen wirkt sich auch auf die ärztliche Weiterbildung aus. Darauf müssen zukünftige Ärztinnen und Ärzte sich einstellen.
Kann die Krankenhausreform Impulse zur Weiterentwicklung der ambulant-stationären Versorgung liefern? Auf der Bundeshauptversammlung 2023 diskutierten Ärzte, Politiker und Gesundheitsökonomen hitzig darüber.
„Nach der Reform ist vor der Reform“ lautete der Titel der Veranstaltung. Er lässt sich in 2 Richtungen interpretieren: Einerseits, dass die Krankenhausreform weitere Reformen notwendig macht, beispielsweise die Notdienstreform oder eine Reform der ärztlichen Weiterbildung. Andererseits aber auch, dass die von Lauterbauch angekündigte „Revolution“ am Ende doch so lückenhaft ausfallen könnte, dass weitere Schritte folgen müssen.
Krankenhausreform steckt fest
Die wissenschaftliche Krankenhauskommission, ebenso wie die Bundesärztekammer und die Kassenärztliche Bundesvereinigung sowie weite Teile der Gesundheitspolitik sind sich einig: Am Ende muss es deutlich weniger Krankenhaus-Standorte geben als vor der Reform. Dadurch soll die Qualität steigen, weil Kompetenzen gebündelt und aufeinander abgestimmt werden. „Wenn das gelingen sollte, flächendeckend und bundesweit, dann darf man von einer Revolution sprechen“, sagte Dr. Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer, in seinem Impulsvortrag.
Den Vortrag der Bundesärztekammer finden Sie als PDF unter Bundeshauptversammlung 2023 und als Video auf YouTube.
Gegenwind kommt allerdings aus den Kommunen und von manchen Bundesländern. Der Ökonom Dr. Reinhard Busse und der CDU-Politiker Tino Sorge berichteten davon, wie schwierig es sei, Akzeptanz bei Landräten, Bürgermeistern und Bürgern für Krankenhausschließungen und -Umwidmungen zu erhalten.
„Wenn nicht mehrere hundert Standorte verschwinden, dann wird die Krankenhausreform auch nicht funktionieren“, machte Busse klar.
Ärztliche Weiterbildung in Zukunft an mehreren Kliniken
Ein Thema, das bislang im Zusammenhang mit der Krankenhausreform kaum eine Rolle spielt, ist die ärztliche Weiterbildung. Dr. Klaus Reinhardt schärfte den Blick auf die Risiken, die sich für die Weiterbildung ergeben könnten.
Die Einteilung der Kliniken in Level ändert das Leistungsspektrum. Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung könnten in Zukunft gezwungen sein, ihre Weiterbildung in Kliniken aller 3 Level zu leisten, da sie ansonsten nicht alle im Curriculum geforderten Weiterbildungsinhalte abdecken.
Der BÄK-Präsident sieht das nicht unbedingt als Problem. „In der Schweiz ist das schon immer so.“ Durch Weiterbildungsabschnitte in einem Krankenhaus des Levels 1 könnten die jungen Ärztinnen und Ärzte lernen, mit weniger Mitteln zurechtzukommen als z. B. in einer gut ausgestatteten Universitätsklinik. „Ich finde sogar, das hat einen gewissen Charme“, sagte Reinhardt.
Für die betroffenen Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung können sich allerdings durch notwendige Wechsel von Wohnsitz oder Schule der Kinder praktische Schwierigkeiten ergeben. Weiterbildungs-Verbünde werden eine stärkere Rolle spielen, betonte auch Dr. Kirsten Kappert-Gonther von den Grünen.
Qualität hängt am Personal
„Die Personalausstattung ist der Dreh- und Angelpunkt für die Versorgungsqualität“, sagte Reinhardt. Er verwies auf die Vorarbeit, die die Bundesärztekammer bei der ärztlichen Personalbemessung geleistet hat: Anhand von Sachkriterien wird ermittelt, wie viel Personal in einem Fachbereich zur Verfügung stehen muss. Mindestvorgaben reichen dafür nicht aus.
Beim Thema Qualität sprach der BÄK-Präsident auch über die Tendenz, im ambulanten Sektor Parallelstrukturen wie Gesundheitskioske und Lotsen zu etablieren und dadurch neue Schnittstellen zu schaffen. Sinnvoller wäre es, die Praxen selbst zu stärken und zu mehr Kooperation zu befähigen. Dass sich Patienten über Jahre hinweg von denselben Ärzten ihres Vertrauens behandeln lassen können, ist ein ebenfalls wichtiger Qualitätsaspekt.
Reinhard Busse, Professor für Management im Gesundheitswesen an der Technischen Universität Berlin, pflichtete ihm bei: Die Politik muss die ambulante Versorgung weiter stärken und sie auch im Zuge der Krankenhausreform mitdenken. „Das ist ein bisschen auf der Strecke geblieben.“ Busse kündigte als Mitglied der Krankenhauskommission in Kürze eine Stellungnahme zur intersektoralen Versorgung an.
Weiterbildungsstellen könnten wegfallen
Sorgen macht den niedergelassenen Ärzten, dass die Krankenhäuser derzeit im Zuge der Ambulantisierung deutlich bevorzug werden. „Wenn eine Klinik eine ambulante Operation in dem Operationssaal erbringt, der vom Land gerade renoviert worden ist, dann hat sie im Vergleich zum ambulanten OP-Zentrum, das seine Räumlichkeiten allein finanzieren muss, einen Vorteil“, kritisiert Dr. Dirk Heinrich, der Bundesvorsitzende des Virchowbundes.
Auch die Weiterbildung wird bei den Krankenhäusern aktuell refinanziert, bei den Praxen dagegen nicht. Dabei muss in Zukunft mehr Weiterbildung ambulant stattfinden, wenn bisherige stationäre Leistungen in Zukunft ambulant erbracht werden.
Ein Beispiel, wie es nicht laufen sollte, liefert der augenärztliche Bereich. Die Katarakt-OP wurde vor einigen Jahren von einer stationären zur ambulanten Leistung. In der Folge wurden viele Augenabteilungen an Kliniken geschlossen. Innerhalb weniger Jahre gab es einen massiven Mangel an Augenärzten in Weiterbildung.
Bei der Krankenhausreform könnte sich dieser Fehler wiederholen: „Was an Weiterbildungsstellen in den Krankenhäusern wegfällt, muss im ambulanten Sektor neu geschaffen und auch finanziert werden“, fordert der Virchowbund-Vorsitzende.
Hier finden mehr Vorschläge des Virchowbundes zur ambulanten Weiterbildung.
Gemeinsame Weiterbildungsverbünde von Kliniken und Praxen – halten Sie das auch für ein Modell der Zukunft? Hinterlassen Sie uns einen Kommentar.
Lesen Sie auch Teil 1: Leistungskürzungen, Staatsmedizin, Krankenhausreform – Die Aufreger der Bundeshauptversammlung 2023.
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