Zur Bundestagswahl 2025: 4 Ärzte, 5 Fragen

Am 23. Februar 2025 ist Bundestagswahl. Unter den Kandidatinnen und Kandidaten, die auf ein Direktmandat hoffen, sind auch Ärztinnen und Ärzte. Mit 4 von ihnen haben wir gesprochen. Das sind ihre Vorstellungen für die Gesundheitspolitik der nächsten Legislaturperiode.

 

Die Kinderärztin Nezahat Baradari (SPD), der Zahnarzt Christian Bartelt (FDP), der ehemalige Klinikchef und Neurologe Prof. Dr. Armin Grau (Bündnis 90/Die Grünen) sowie der Hausarzt Dr. Stephan Pilsinger (CDU/CSU) waren Mitglieder des 20. Bundestages und des Gesundheitsausschusses unter Gesundheitsminister Karl Lauterbach. Jetzt hoffen sie, nach der Wahl erneut in den Bundestag einziehen zu dürfen.

Bei Themen wie Bürokratieabbau und Patientensteuerung gibt es keine Partei, die sich querlegt. In den Details herrscht dennoch Uneinigkeit. Bürgerversicherung oder duales System aus GKV und PKV? Gesundheitskioske ja oder nein? Stärkung der Arztpraxen oder Fokus auf den stationären Sektor?

Video: Direkt nach dem Ampel-Aus geht es hoch her zwischen SPD, CDU und FDP bei der Bundeshauptversammlung des Virchowbundes

Freiberuflichkeit schützen

Freiberuflichkeit hat nichts mit Selbstständigkeit zu tun – sondern mit medizinisch unabhängigen Entscheidungen und Patientenschutz.

Nur 2 der 4 Kandidaten sind selbst niedergelassen – doch als Ärzte sind alle 4 Freiberufler. Ihnen ist bewusst, wie bedroht die Freiberuflichkeit ist. Aber haben sie auch Rezepte zur Hand?

Die SPD-Abgeordnete Nezahat Baradari verwechselt in ihrer Antwort Freiberuflichkeit und Selbstständigkeit. Sie spricht also nur davon, wie sie die Arbeit im ambulanten Sektor und die Niederlassung attraktiv machen will. Freiberuflichkeit dagegen betrifft alle Ärzte, auch Angestellte in Klinik und Praxis. Sie ist der Garant der Patientensicherheit durch medizinisch unabhängige Entscheidungsfindung. Hier erklären wir das Konzept Freiberuflichkeit näher.

Der FDP-Kandidat Christian Bartelt will vor allem Bürokratie abbauen und die Selbstverwaltung stärken. Prof. Dr. Armin Grau von den Grünen will die Kommerzialisierung der Medizin eindämmen, besonders bei MVZ. Die Krankenhausreform sieht er als Chance – sein Konkurrent von der CSU, Dr. Stephan Pilsinger dagegen als Gefahr. Er nimmt wahr, dass vor allem Rot-Grün die Fachärzte nur noch als angestellte Ärzte an den Krankenhäusern sehen möchten.

Auch der Virchowbund warnt vor Schritten Richtung „Staatsmedizin“:

Patienten steuern

Welche drei Maßnahmen zur Patientensteuerung müsste die nächste Regierung einführen, um die Versorgung zu verbessern? Die Antworten fallen sehr unterschiedlich aus.

Die Vorstellungen von Dr. Stephan Pilsinger (CDU/CSU) und Christian Bartelt (FDP) decken sich in großen Teilen mit denen des Virchowbundes: Hausärzte bzw. koordinierende Fachärzte übernehmen die Steuerung. Patienten können dennoch weiterhin die freie Arztwahl beanspruchen, wenn sie bereit sind, einen höheren Krankenkassenbeitrag zu zahlen. Sie sollen auch mehr Eigenverantwortung übernehmen.

Dieser Vorschlag war im November 2024 von G-BA-Chef Prof. Josef Hecken auf der Bundeshauptversammlung des Virchowbundes gemacht worden. Die zentralen Thesen haben wir hier im Praxisärzte-Blog vorgestellt. Lesen Sie hier weitere Vorschläge aus dem Programm „Versorgung 2040“.

Prof. Dr. Armin Grau setzt auf die HZV, die Entbudgetierung der Hausärzte und die Notfallreform. Ähnlich klingt es bei Nezahat Baradari, die zudem noch auf Stärkere Vernetzung der Sektoren setzt. Mit der ePA und der Krankenhausreform sieht sie bereits erste Schritte dazu getan.

Versorgung digitalisieren

Mit welchen Anwendungen hoffen die Kandidaten, alle Praxisärzte zu Fans der Digitalisierung zu machen? Wer hier auf neue Ideen und innovative Anwendungen hofft, wird enttäuscht.

Vom Nutzen der ePA und der Digitalisierung generell zeigen sich alle 4 Kandidatinnen und Kandidaten überzeugt. Der FDP-Vertreter beklagt jedoch die Störanfälligkeit der TI und wünscht sich mehr direkte Einwirkungsmöglichkeit der gematik auf die Hersteller der TI-Komponenten. Der CSU-Kandidat legt einen stärkeren Fokus auf verpflichtende Schnittstellen zum raschen PVS-Wechsel.

Konkrete Anwendungen und zukunftsgerichtete Ansätze nennt niemand.

Dr. Dirk Heinrich, Bundesvorsitzender des Virchowbundes, wünscht sich dagegen einen digitalen Patienten-Check-in wie am Flughafen:

 

Investoren regulieren

Das Treiben von Investoren im Gesundheitswesen steht in der Kritik. Der Virchowbund fordert u. a. mehr Transparenz über die Wirtschaftlich Berechtigen hinter einem MVZ. Offen für ein Transparenzregister wären nach den Aussagen der Kandidaten sowohl die Grünen als auch die CDU/CSU.

Beide fordern zudem, dass bei Klinik-MVZ auch ein fachlicher und räumlicher Bezug zum Krankenhaus gegeben sein muss. Die FDP dagegen will der Selbstverwaltung mehr berufsrechtliche Kontrolle ermöglichen. Die SPD hält eine MVZ-Obergrenze für sinnvoller und möchte, dass in MVZ auch Ärzte arbeiten, die „mit ihrem privaten Kapital dort investiert haben.“

So könnten Investoren-MVZ schärfer reguliert werden

GOÄ reformieren

Die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) ist 30 Jahre alt und reformbedürftig. 2024 haben sich Bundesärztekammer, Privatversicherungen und die Beihilfe auf eine neue GOÄ geeinigt. Karl Lauterbach legte sich quer. Sind die ärztlichen Abgeordneten Fans einer GOÄ-Reform?

SPD-Kandidatin Nezahat Baradari will die GOÄ-Reform als eines der ersten Projekte der neuen Legislaturperiode angehen.

Auch Christian Bartelt (FDP) und Dr. Stephan Pilsinger (CDU/CSU) sprechen sich klar für eine GOÄ-Reform aus. Der Hausarzt Pilsinger appelliert an die Ärzteschaft „nun zusammenzustehen und den Entwurf der GOÄ mitzutragen. Wenn sich jetzt einzelne Arztgruppen über den einen oder anderen Abstrich beschweren und deswegen öffentlichkeitswirksam den gesamten GOÄ-Entwurf verteufeln, so spielt das nur in die Hände derer, die die GOÄ aus ideologischen Gründen am liebsten sowieso abschaffen wollten.“

Wenig überraschend plädiert der ehemalige Klinikchef und Grünen-Abgeordnete Prof. Dr. Armin Grau für eine Bürgerversicherung – ist aber für eine GOÄ-Novelle als „Übergangslösung“ durchaus offen.

Video: Warum ist die GOÄ-Reform so schwierig?

Gesundheitsthemen spielen bei der Bundestagswahl 2025 für viele Menschen eine wichtige Rolle. Die Politikerinnen und Politiker von CDU/CSU, FDP, Grünen und SPD legen den Fokus teils sehr unterschiedlich. Die einen möchten mehr Selbstverwaltung und Eigenverantwortung, die anderen mehr Staat, Regulierung und Absicherung.

Unter der Ampel-Koalition und Gesundheitsminister Karl Lauterbach ist außer der teilweisen Entbudgetierung für Kinder- und Hausärzte wenig Positives für die niedergelassenen Ärzte passiert. Umso größer ist der Reformdruck für die neue Regierung.

Der Virchowbund hat bereits jetzt ein 100-Tage-Sofortprogramm für die Zeit nach der Bundestagswahl entworfen.

Wir kämpfen dafür, die Budgetierung zu beenden, die ärztliche Selbstverwaltung zu stärken und die Freiberuflichkeit zu erhalten. Abonnieren Sie jetzt den Newsletter zu Berufspolitik, Praxisführung und Medizinrecht.

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