Patient weg: Wenn die Vertretung dem Patientenstamm schadet

Patienten von anderen Kollegen abzuwerben ist ein heikles Thema. Manchmal geschieht es ganz unbewusst: Die Stammpraxis ist geschlossen, der Patient wendet sich an den Vertreter, ist mit der Behandlung zufrieden – und bleibt. Manchmal steckt jedoch auch Vorsatz dahinter. Unsere Justiziarin klärt auf, welche Spielregeln bei Vertretungen gelten.

 

Wenn Kollegen Ihre Patienten abwerben, müssen Sie das nicht einfach hinnehmen. Sie haben Sie die Möglichkeit auf Unterlassung zu klagen und können ggf. auch Schadensersatzansprüche geltend machen.

Dabei stellen sich aber 2 Probleme:

  1. Der Vertreter muss rechtswidrig gehandelt haben. Sie müssen das beweisen.
  2. Sie müssen einen Schaden nachweisen – zumindest, wenn Sie Schadensersatzansprüche geltend machen wollen.

 

Wann ist es also rechtswidrig, Patienten abzuwerben?

Ein rechtswidriges Handeln kann z. B. in folgenden Fällen vorliegen:

  • Der Vertreter nimmt die schriftlichen bzw. digital gespeicherten Patientendaten unberechtigter Weise mit und verwertet sie.
  • Der Vertreter schreibt die Patienten noch während der Vertretungszeit mit seiner privaten Adresse, Telefonnummer oder E-Mail-Adresse an, mit dem Ziel, eine spätere Kontaktaufnahme zu ermöglichen.
  • Der Vertreter verstößt gegen ein im Vertretungsvertrag vereinbartes und gültiges Wettbewerbsverbot.

 

In den meisten Fällen wird es schwierig sein, die Rechtswidrigkeit vor Gericht zu beweisen. Um Schadenersatz einfordern zu können, ist es noch aufwändiger. Sie müssen nämlich zusätzlich beweisen, dass der Patient zur weiteren Behandlung aufgrund der Abwerbung gewechselt hat und Ihnen dadurch ein Schaden entstanden ist.

Das kann auch unter dem Aspekt der freien Arztwahl schwierig werden. Sie müssen also genau prüfen, ob sich ein rechtliches Vorgehen lohnt.

Alternativ können Sie sich an die zuständige Ärztekammer wenden. Gemäß § 20 Absatz 1 Musterberufsordnung-Ärzte besteht eine explizierte Rücküberweisungspflicht des Vertreters, d. h. er muss übernommene Patienten bei Beendigung der Vertretung an den vertretenen Arzt zurückzuüberweisen. Verstößt der Arzt nachweisbar gegen diese Verpflichtung drohen ihm ggf. berufsrechtliche Maßnahmen, wie z. B. eine Geldbuße.

Wenn Sie den Verdacht haben, dass ein Vertreter Patienten abwirbt, das aber nicht beweisen können, sollten Sie zuerst das kollegiale Gespräch suchen. Außerdem sollten Sie Ihren Vertretungsvertrag prüfen und ggf. anpassen.

Tipp: Nutzen Sie den Vertretungsvertrag des Virchowbundes. Er ist juristisch geprüft. Mitglieder können ihn kostenlos herunterladen und sich eingehend beraten lassen.

 

Vorsicht Haftungsfalle

Was viele Vertragsärzte nicht wissen: Sie haften auch für die Behandlungsfehler des Vertreters. Darum sollten Praxisärzte bei der Auswahl ihres Vertreters besonders sorgfältig sein. Lesen Sie hier mehr zur Arzthaftung.

Mein Rat an Ärzte:

  • Lassen Sie sich nur von einem Arzt Ihres eigenen Fachgebietes vertreten. Alles andere ist auch nicht zulässig.
  • Prüfen Sie, ob Ihr Kollege fachlich und persönlich geeignet ist.
  • Lassen Sie sich die Approbations- und die Facharzturkunde zeigen.
  • Sichern Sie sich zusätzlich ab und schließen Sie einen schriftlichen Vertrag, der die Bedingungen der Vertretung regelt.

Tipp: Ergänzend zum anpassbaren Mustervertrag zeigt die Praxisinfo „Vertretung des Vertragsarztes“, welche Sonderregeln für Weiterbildungsassistenten, angestellte Ärzte und in ärztlichen Berufsausübungsgemeinschaften gelten. Außerdem schlüsselt die Praxisinfo auf, welche Arten von Vertretung genehmigungsfrei sind und welche nicht.

Virchowbund-Mitglieder erhalten automatisch Zugriff auf alle Vorlagen für Verträge. Kostenlose Rechtsberatung ist im Mitgliedsbeitrag ebenfalls inklusive. Hier erfahren Sie, wie sich die Mitgliedschaft für Sie lohnt.

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