MFA beschädigt Geräte in der Praxis – wer muss zahlen?
Wer bezahlt eigentlich einen Schaden, den die eigenen Mitarbeitenden in der Praxis des Arbeitgebers verursachen?
Im Arbeitsalltag ist es wie auch sonst im Leben: Aus einer kleinen Unachtsamkeit kann ein nicht unerheblicher Schaden entstehen. Der Klassiker ist die umgestoßene Kaffeetasse, deren Inhalt sich über den Schreibtisch, die Unterlagen und die PC-Tastatur ergießt. Sicherlich äußerst ärgerlich – vom „Schadenausmaß“ her ist dieser Unfall aber zu vernachlässigen.
Etwas anders sieht es da schon aus, wenn durch die eigenen Mitarbeitenden hochwertige und teure medizinische Geräte beschädigt oder gar zerstört werden. Ganz zu schweigen, wenn durch einen Fehler der MFA eine Patientin oder ein Patient zu Schaden kommt, vor allem, wenn es sich dabei um einen Personenschaden handelt.
Wer muss dann eigentlich für den Schaden aufkommen? Der Mitarbeiter bzw. die Mitarbeiterin, der oder die den Schaden verursacht hat? Oder seine bzw. ihre private Haftpflicht-Versicherung?
So ist es immerhin im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt – konkret in § 823 BGB: „Wer anderen einen Schaden zufügt, muss für den entstandenen Schaden aufkommen“. Ist damit wirklich schon alles geklärt?
Spielen wir den Sachverhalt einmal anhand eines Beispiels durch: Eine MFA stößt aus Unachtsamkeit gegen das Sonographie-Gerät, welches dann zu Boden fällt und irreparabel beschädigt wird. Eine Neuanschaffung ist nötig.
Der Arbeitgeber verlangt von der MFA die Kostenerstattung für die Neuanschaffung. Der Mitarbeitende meldet den Sachverhalt ihrer privaten Haftpflicht-Versicherung. Diese kommt der vertraglichen Verpflichtung nach und prüft den Sachverhalt.
Die Rückmeldung des Versicherers ist für die MFA ernüchternd. Denn der Versicherer wird in diesem Fall keine Leistung erbringen, da über die private Haftpflicht-Versicherung die Gefahren des täglichen Lebens als Privatperson und nicht aus den Gefahren eines Betriebes, Berufes oder Amtes versichert sind.
Bedeutet das nun, dass die MFA den Schadenfall aus eigener Tasche bezahlen muss? Spielt es dabei eine Rolle, wie hoch der Schaden ist?
Privilegierte Arbeitnehmerhaftung
Unstrittig ist, dass bei einer reinen Betrachtung der deliktischen Haftung nach § 823 BGB die MFA für jeden Schaden (also unabhängig von der Schadenhöhe) aufkommen müsste. Aber hier haben der Gesetzgeber und die Rechtsprechung einen Schutz zu Gunsten aller Mitarbeitenden in Deutschland eingezogen: die sogenannte privilegierte Arbeitnehmerhaftung.
Diese privilegierte Arbeitnehmerhaftung bezieht sich zwar in erster Linie auf Schäden, die Mitarbeitende während der dienstlichen/beruflichen Tätigkeit einem Dritten (zum Beispiel Patienten) zufügen – häufig als Freistellungsanspruch bezeichnet. Sie findet aber auch Anwendung bei Schäden, die die Mitarbeitenden dem eigenen Arbeitgeber bereiten. Die Schadenhöhe ist dabei unerheblich.
Arbeitsrechtliche Beurteilung
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes muss ein Arbeitgeber seine Angestellten unter gewissen Voraussetzungen von Ansprüchen Dritter freistellen, wenn diese während der dienstlichen/beruflichen Tätigkeit aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts (zum Beispiel § 823 BGB) in Anspruch genommen werden. Gleiches gilt, wie zuvor erwähnt, auch, wenn Mitarbeitende dem Arbeitgeber einen Schaden zufügen (zum Beispiel Sachschaden an Arbeitsmitteln).
Die Freistellung richtet sich nach dem Grad des Verschuldens. Man unterscheidet juristisch zwischen:
- Vorsatz
Für vorsätzlich herbeigeführte Schäden haftet der Arbeitnehmer generell und in vollem Umfang. Einen Versicherungsschutz gibt es dafür nie, da vorsätzlich verursachte Schäden nicht versichert sind.
- Fahrlässigkeit
Innerhalb der Fahrlässigkeit ist zwischen folgenden Abstufungen zu unterscheiden:
- Grobe Fahrlässigkeit
Nach der gängigen Rechtsprechung haftet der Arbeitnehmer für grob fahrlässig verursachte Schäden auf die volle (Schaden-)Summe. Eine Minderung kommt allenfalls bei besonderen Umständen des Einzelfalls in Betracht, zum Beispiel wenn der entstandene Schaden außer Verhältnis zum Verdienst steht und Existenzgefährdung des Arbeitnehmers bedeuten würde.
- Mittlere Fahrlässigkeit
Die Haftungssumme wird nach einer Quote zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber aufgeteilt. Die Quote richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (wie Abwägung der Gesamtumstände, Schadenanlass, Folgen, Billigkeit, Höhe des Arbeitsentgelts, Gefahrgeneigtheit der Tätigkeit, Dauer der Betriebszugehörigkeit, usw.).
- Leichte/einfache Fahrlässigkeit
Der Arbeitnehmer haftet gar nicht für den eingetretenen Schaden. Der Arbeitgeber trägt den gesamten Schaden selbst.
Diese Grundsätze sind nach der Rechtsprechung des BAG „einseitiges zwingendes Arbeitnehmerschutzrecht“. Sie können weder in einem Arbeits- noch in einem Tarifvertrag zu Lasten der Arbeitnehmer geändert werden.
Wichtig: Die Beweislast, welcher Grad der Fahrlässigkeit zur Last gelegt wird, trägt der Anspruchsteller – also der Arbeitgeber.
Versicherungsschutz
Wie zuvor beschrieben, haften Mitarbeitende zwar aus deliktischer Haftung selbst, genießen aber in dem zuvor beschriebenen Umfang eine Freistellung gegenüber dem Arbeitgeber. Es verbleibt also ein nicht ganz unerhebliches (finanzielles) Risiko beim Arbeitgeber selbst.
Absicherung von Schäden an der eigenen Praxisausstattung
Die Berufs-/Betriebs-Haftpflicht-Versicherung des Arbeitgebers ist in diesem Fall nicht zuständig. Denn diese ist ausschließlich für Drittschäden zuständig und nicht für Schadenfälle innerhalb der eigenen Praxis.
Sicherlich muss auch nicht jeder erdenkliche Schadenfall durch eine Versicherung abgedeckt werden. Eine Absicherung von hochwertigen beziehungsweise teuren Arbeitsmitteln ist hingegen durchaus sinnvoll. Hierzu zählt in einer Arztpraxis die technische Ausstattung, unabhängig, ob es sich um Bürotechnik (PC, Bildschirme, Drucker, Telefonanlage, etc.) oder Medizintechnik handelt.
Eine umfassende Absicherung bietet eine Elektronik-Versicherung. Versicherungsschutz besteht, wenn durch äußere Einwirkung ein Sachschaden am versicherten Gerät entsteht. Mitglieder im Virchowbund können eine solche Elektronik-Versicherung über den Kooperationspartner Ecclesia MED abschließen.
Absicherung von Drittschäden während der beruflichen Tätigkeit
Auch bei Schäden, die Mitarbeitende einem Dritten (zum Beispiel einer Patientin oder einem Patienten) während der beruflichen Tätigkeit zufügen können, hat der Arbeitgeber ein durchaus erhebliches Haftungsrisiko.
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die Personen, denen er sich zur Erfüllung beziehungsweise Verrichtung seiner Tätigkeit bedient, ordnungsgemäß und sorgfältig auszuwählen. Verletzt der Arbeitgeber diese Verpflichtung, kann er möglicherweise selbst in Anspruch genommen werden. Er kann sich aber exkulpieren.
Weiterhin bleibt für den Arbeitgeber ein erhebliches (Haftungs-)Risiko aus dem oben erwähnten Freistellungsanspruch. Hat der Arbeitnehmer den Schadenfall einfach fahrlässig verursacht, muss er zwar aus deliktischer Haftung erst selbst für den Schaden aufkommen, kann aufgrund der Arbeitsrechtsprechung aber von seinem Arbeitgeber die Freistellung (im Vorfeld des Schadens) oder aber die Erstattung (nach dem Schaden) verlangen. Bei mittlerer Fahrlässigkeit bleibt zumindest noch das circa 50-prozentige Kostenrisiko (Quotelung).
Zur Absicherung des Haftungsrisikos und der damit verbundenen finanziellen Risiken ist es empfehlenswert, dass nicht nur der Arbeitgeber sein eigenes Risiko absichert, sondern auch seine Angestellten vollumfänglich in den Versicherungsschutz einbezieht.
Sollte eine Mitversicherung gegeben sein, besteht Versicherungsschutz danach für Ansprüche, die gegen den Praxisinhaber aus der dienstlichen Tätigkeit der Mitarbeitenden (auch angestellter Ärzte) geltend gemacht werden – im Regelfall einschließlich dessen persönlicher gesetzlicher Haftpflicht. Bei entsprechendem Einschluss sind damit auch die deliktischen Ansprüche (§ 823 BGB) über den Vertrag des Praxisinhabers versichert, die gegen den Angestellten persönlich geltend gemacht werden.
Ein Regress gegen den Arbeitnehmer bei Fahrlässigkeit ist nicht möglich, da ein Rückgriff des Versicherers gegen mitversicherte Personen in einem Versicherungsvertrag nicht erlaubt ist.
Virchowbund-Mitglieder können sich gegen Schäden durch Mitarbeiter und viele andere typische Risiken im Praxisalltag über den Versicherer Ecclesia MED absichern. Dabei können sie zwischen einer umfassenden Kompaktlösung und einem individuell zugeschnittenen Bausteinkonzept wählen. Kostenlose Rechtsberatung ist im Mitgliedsbeitrag ebenfalls inklusive. Erfahren Sie hier, welche Vorteile Sie sonst noch als Mitglied im Virchowbund genießen.
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