Wann fällt Umsatzsteuer in der Arztpraxis an?

Ärztliche Leistungen sind normalerweise umsatzsteuerfrei. Doch es gibt Ausnahmen. Wir stellen die wichtigsten Fälle vor, in denen Ärzte Umsatzsteuer abführen müssen.

Leistungen eines Arztes bzw. einer Ärztin sind in den meisten Fällen umsatzsteuerfrei. Das Kriterium dafür: Sie müssen zum Zweck der

  • Vorbeugung
  • Diagnose
  • Behandlung
  • (und, soweit möglich) Heilung

von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen bei Menschen vorgenommen werden (§ 4 Nr. 14a UStG). Das gilt unabhängig davon, wer Empfänger der Leistung ist und wer die Leistung finanziert.

Die Steuerbefreiung für Heilbehandlungen setzt voraus, dass ein therapeutischer Zweck mit der Leistung verfolgt wird.

Unter die Umsatzsteuerbefreiung fallen auch Entgelte für notärztliche Bereitschaftsdienste bzw. für Leistungen im Rahmen eines Notdienstes. Bei Letzteren ist wichtig, dass diese dazu dienen, gesundheitliche Gefahrensituationen frühzeitig zu erkennen, um sofort geeignete Maßnahmen einleiten und damit einen größtmöglichen Erfolg einer (späteren) Behandlung sicherstellen zu können (z. B. Bereitschaftsdienst bei Sport- und ähnlichen Veranstaltungen).

Auch die Abgabe von (Fertig-)Medikamenten ist von der Umsatzsteuer befreit, wenn die Medikamente zum Zeitpunkt der Heilbehandlung für diese unentbehrlich sind und ohne die diese Heilbehandlung nicht erfolgversprechend wäre. Insbesondere gilt das für die Medikamentenabgabe während der Behandlung durch den behandelnden Arzt, z. B.:

  • dialyseimmanente Medikamente im Rahmen einer ambulanten oder stationären Dialysebehandlung
  • Faktorpräparate im Rahmen der Behandlung von Blutern unabhängig vom Ort der Einnahme
  • Zytostatika im Rahmen einer Chemotherapie zur Krebsbehandlung
  • schmerzstillende bzw. entzündungshemmende Medikamenten im Rahmen einer Heilbehandlung.
  • Vorsorgeuntersuchungen (auch durch den Betriebsarzt), die nicht nach dem ASiG erbracht werden sowie Schuleingangsuntersuchungen
  • Alkohol- und Drogengutachten zum Zweck einer anschließenden Heilbehandlung (z. B. zur Feststellung eines körperlichen Defekts beim Abbau von Alkohol und Medikamenten)
  • äußere Leichenschau und Ausstellen der Todesbescheinigung als letzte Maßnahme im Rahmen der Heilbehandlung
  • Gutachten, Berichte und Bescheinigungen, die der schriftlichen Kommunikation unter Ärzten dienen und bei denen die medizinische Betreuung im Vordergrund steht
  • körperliche Untersuchung von Personen im Polizeigewahrsam zur Überprüfung der Verwahrfähigkeit in der Zelle (alternativ: erforderliche Krankenhauseinweisung)
  • kurze Bescheinigungen und Zeugnisse, die nach Nr. 70 GOÄ berechnet werden.
    Sie sind Nebenleistung zu einer Untersuchungs- und Behandlungsleistung (insbesondere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen)
  • weitere Leistungen des Kapitels B VI der GOÄ, soweit ein enger Zusammenhang mit einer im Vordergrund stehenden Untersuchungs- und Behandlungsleistung gegeben ist
  • vertragsärztliche Auskünfte, Bescheinigungen, Zeugnisse, Berichte und Gutachten, die nach Nr. 71ff. des einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) abgerechnet werden, weil sie der Kommunikation unter Ärzten als einem notwendigen Bestandteil der übernommenen Behandlung oder Erfüllung öffentlich-rechtlicher Berichtspflichten des Arztes gegenüber den Krankenkassen dienen
  • Befundberichte gegenüber den Versorgungsämtern, die nach dem Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz entschädigt werden (mehr dazu in der Praxisinfo „Medizinische Gutachten“)
  • Gutachten für die gesetzliche Krankenversicherung, z. B. zu medizinischen Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen, der Hilfsmittelversorgung und der häuslichen Krankenpflege im Rahmen der Aufgabenwahrnehmung nach § 275 SGB V
  • Leistungen zur Kontrolle von gespendetem Blut einschließlich der Blutgruppenbestimmung
  • Gutachten zu medizinischen Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen (Aussagen zu Rehabilitationsbedürftigkeit, -fähigkeit, -prognose und Therapieempfehlung), zur Hilfsmittelversorgung und zur häuslichen Krankenpflege, da in diesen genannten Aufgabenfeldern ein therapeutisches Ziel bzw. eine therapeutische Entscheidung im Mittelpunkt steht
  • Obduktionen, die im Fall des Seuchenverdachts für Kontaktpersonen von therapeutischer Bedeutung sind

Im Umkehrschluss muss Umsatzsteuer gezahlt werden für Tätigkeiten, die nicht Teil eines konkreten, individuellen, der Diagnose, Behandlung, Vorbeugung und Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen dienenden Leistungskonzeptes sind.

Maßnahmen allein zur Steigerung des allgemeinen Wohlbefindens (z. B. ein Wellnessprogramm) und Schönheitsoperationen, die keinen therapeutischen Zweck haben, stellen keine Heilbehandlung dar, selbst wenn sie von Ärzten durchgeführt werden.

 

Dokumentation schützt vor dem Finanzamt

Die Abgrenzung, wann eine Leistung medizinisch indiziert ist, kann im Einzelfall problematisch sein. Übernimmt die Krankenkasse die Kosten der Behandlung? Dann dürfen Sie als Arzt in der Regel davon ausgehen, dass die Heilbehandlung medizinisch indiziert und damit umsatzsteuerfrei ist.

Umgekehrt bedeutet eine fehlende Kostenübernahme nicht unbedingt, dass die Leistung nicht medizinisch indiziert wäre. Das gilt beispielsweise für individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL), bei denen die Krankenkasse die Kosten nicht übernimmt, eine medizinische Indikation jedoch sehr wohl vorliegen kann.

Tipp

Dokumentieren Sie bei steuerfreien IGeL-Leistungen die medizinische Indikation (z. B. mittels ICD-Code).

Die Beweislast, dass die Behandlung steuerfrei ist, liegt beim Arzt. Gegenüber dem Finanzamt müssen Sie die medizinische Indikation nachweisen können. Ist nicht ganz eindeutig, ob die Leistung umsatzsteuerfrei ist oder nicht, dokumentieren Sie in der Patientenakte, dass damit ein therapeutischer Zweck verfolgt wird.

Bei Leistungen im Rahmen von Gutachten gilt: Fällt für die Hauptleistung Umsatzsteuer an, sind auch die Nebenleistungen (z. B. Untersuchung) umsatzsteuerpflichtig.

 

Prävention: Manchmal steuerfrei, manchmal nicht

Zu den steuerfreien Heilbehandlungen gehören auch Untersuchungen und ärztliche Maßnahmen an Patienten, die an keiner Krankheit oder Gesundheitsstörung leiden – wenn die Leistungen zum Zweck der Vorbeugung erbracht werden. Wichtig ist dabei der Zweck, die Entstehung einer Krankheit zu verhindern oder Krankheiten möglichst früh zu erkennen. Beispiele dafür sind

  • Krebsfrüherkennungsuntersuchungen
  • Untersuchungen zur Glaukomfrüherkennung
  • Mammographien einschließlich der von Radiologen erstellten Mammographien im Rahmen des Mammographie-Screenings (Zweitbefund)
  • Schuleingangsuntersuchungen

Leistungen zur Prävention und Selbsthilfe im Sinne des § 20 SGB V, die keinen unmittelbaren Krankheitsbezug haben, weil sie lediglich „den allgemeinen Gesundheitszustand verbessern” sollen, sind dagegen keine Heilbehandlungen. Für sie fällt also Umsatzsteuer an.

Werden die entsprechenden Maßnahmen allerdings im Rahmen einer medizinischen Behandlung – auf Grund ärztlicher Anordnung oder mithilfe einer Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahme – durchgeführt, sind sie steuerfrei. Ein Beispiel ist die Sammelüberweisung von Arbeitnehmern zur Teilnahme an Raucherentwöhnungsseminaren durch den Betriebsarzt.

Hier zahlen Ärzte Umsatzsteuer

  • Berichte in einer ärztlichen Fachzeitschrift sowie schriftstellerische oder wissenschaftliche Tätigkeit
  • Vorträge und Lehre, auch wenn der Vortrag vor Ärzten im Rahmen der Fortbildung gehalten wird
  • Lieferung von Hilfsmitteln und Verkauf von Medikamenten aus einer ärztlichen Abgabestelle für Arzneien
  • Meldungen eines Arztes zur reinen Dokumentation von Patientendaten, wenn diese Meldungen keine Auswirkungen auf die Heilbehandlung eines bestimmten Patienten haben
  • entgeltliche Nutzungsüberlassung von medizinischen Großgeräten
  • Überlassung von Praxisräumen nebst Ausstattung durch einen Arzt an andere Ärzte
  • Gutachten und vergleichbare Untersuchungen wie Blutgruppenuntersuchungen im Rahmen der Vaterschaftsfeststellung, anthropologisch-erbbiologische Gutachten, psychologische Tauglichkeitstests, die sich ausschließlich auf die Berufsfindung erstrecken
  • Alkohol-Gutachten und Gutachten, die im Rahmen von Strafverfahren erstattet werden
  • Gutachten über den Gesundheitszustand
    • als Grundlage für Versicherungsabschlüsse
    • in Unterbringungssachen (gem. § 321 Abs. 1 FamFG)
  • Gutachten über den über die Berufstauglichkeit oder die Minderung der Erwerbsfähigkeit in
    • Sozialversicherungsangelegenheiten
    • Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung
    • Schadensersatzprozessen
  • Zeugnisse oder Gutachten über das Sehvermögen
  • gutachterliche Feststellungen zum voraussichtlichen Erfolg von Rehabilitationsleistungen im Rahmen eines Rentenverfahrens (da hier ein Rentenantrag Anlass ist, um als Arzt tätig zu werden)
  • Gutachten, Berichte und Bescheinigungen, die der schriftlichen Kommunikation unter Ärzten dienen (z. B. bei Fragen der Schadensersatzleistung) – auch bei öffentlich-rechtlicher Berichtspflicht
  • Musterungs-, Tauglichkeits- und Verwendungsfähigkeitsuntersuchungen und -gutachten, da diese dem Anlass der Beurteilung für den (künftigen) Dienstherrn dienen, ob der Bewerber für eine bestimmte Verwendung geeignet ist
  • Röntgenaufnahmen, die für ein Gutachten des TÜV zur Berufstauglichkeit erstellt werden
  • Untersuchung und Begutachtung durch Vertragsärzte zur Feststellung von Beschädigungen, wenn diese Leistungen nicht der (weiteren) medizinischen Betreuung dienen sollen, sondern z. B. als Grundlage für eine Entschädigungsleistung
  • Obduktionen – es sei denn, die Obduktion ist im Fall des Seuchenverdachts für Kontaktpersonen von therapeutischer Bedeutung
  • sport- und reisemedizinische Untersuchungs- und Beratungsleistungen
  • externe Gutachten für den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK)
  • Gutachten zur Feststellung der Voraussetzungen von Pflegebedürftigkeit oder zur Feststellung, welche Stufe der Pflegebedürftigkeit vorliegt.

Wie Gutachten korrekt abgerechnet werden, welche Kosten Sie in Rechnung stellen können und welche Stundensätze Sie abrechnen dürfen, lesen Sie in unserer Praxisinfo „Medizinische Gutachten“.

Für detailliertere Informationen und weitere Einzelbeispiele zu umsatzsteuerfreien und umsatzsteuerpflichtigen Leistungen besuchen Sie www.bischoffundpartner.de. Klicken Sie hier für mehr Finanz-Wissen für Ihre Arztpraxis.

 

Dieser Beitrag entstand in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Bischoff & Partner Steuerberatungsgesellschaft für Ärzte mbH. Mitglieder im Virchowbund erhalten dort vergünstigte Konditionen bei steuerlichen und wirtschaftlichen Fachberatungen. Rechtliche Beratung erhalten Sie als Mitglied direkt im Virchowbund. Mehr zu unseren Partnerangeboten.

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